Stiefografie Aufbauschrift I

Start: 06.10.2018 :: Stand: 24.11.2018 :: www.reintechnisch.de

Einführung

Wer Stiefografie lernen möchte, findet im Internet recht wenig frei zugängliches Material. Und auch Bücher oder gedrucktes Lehrmaterial ist nur schwer zu bekommen. Ich hab die letzten Monate immer mal wieder Nachfragen bekommen, wie man an Infos zur Aufbauschrift kommt. Ich finde, wir Interessierten sollten möglichst viel dazu beitragen, damit das Wissen über die Stiefografie frei im Internet verfügbar wird. Das sichert einen einfachen Einstieg in die Stiefografie und je mehr Praktizierende es gibt, um so mehr wird die Stiefografie in ihrer Bedeutung gestärkt. Eine angestaubte Kultur, wo man Wissen unter Verschluss hält und dieses nur über Stenografievereine vermittelt, erscheint mir völlig überlebt. Das sorgt nur dafür, dass die Stenografie immer weiter ausstirbt.

Die Stiefografie hat es in ihrer Bedeutung leider nie so weit gebracht, dass es dutzende Lehrbücher am Markt gegeben hätte. Neben den Unterlagen der Vereinigung Rationelle Stenografie, findet man heute nahezu nichts an Lernmaterial, auch keine älteren Bücher auf dem Gebrauchtmarkt.

In Sachen Aufbauschrift gibts derzeit so gut wie nichts im Internet. Deshalb möchte ich in den nächsten Monaten hier Informationen zur Verfügung stellen. Das geht aber nur in kleinen Schritten, wenn ich mal wieder etwas Freiraum und Muße dazu habe.

Was mir beim Lernen auch aufgefallen ist: Die Lehrbücher, die heute noch für Stiefo zur Verfügung stehen, sind sehr sparsam mit Erklärungen. So ist manches nicht nachvollziehbar und erschließt sich logisch nicht. Das ist übrigens eine "Kultur" auch vieler Stenografie-Bücher anderer Systeme. Sie sind meist nicht zum echten Selbststudium konzipiert, sondern als Begleitlehrbuch für den Unterricht mit einem Lehrer. Diese Informations-Lücke möchte ich hiermit auch schließen, in dem ich genauer erkläre, warum in Stiefo bestimmte Dinge auf welche Weise gemacht werden. Das geht natürlich nur soweit, wie es sich mir erschlossen hat.

Derzeit bin auch ich noch Anfänger und beschäftige mich erst seit etwa einem Jahr mit der Stiefografie (Stand 10/2018). Das sollte man bei den Infos hier berücksichtigen. Falls sich Fehler eingeschlichen haben, gebt mir Rückmeldung. Kommt noch hinzu, dass ich seit etwa 6 Monaten nur noch mein eigenes abgewandeltes System (Stio) schreibe.

Grundlegende Konzepte der Aufbauschrift I

Mit der Grundschrift wurden neue Buchstaben eingeführt, die sich wesentlich schneller schreiben lassen. Zusätzlich gabs ein paar Abkürzungsregeln, es werden z.B. keine Doppelkonsonanten geschrieben, auch gibt es keine Groß-Kleinschreibung. Und wir schreiben, wie wir sprechen, die normale Rechtschreibung wird oft verlassen. So spart man sich auch diverse Buchstaben. Umgedreht wurden neue Buchstaben eingeführt. Warum sollte man für ein "Sch-Laut" 3 Buchstaben schreiben, dafür gibts in Stiefo nur noch einen, genauso wie für sp, pf, tz, st, ch, cht, nd/nt, ng/nk. Und dann noch die Vokale, die wir anhand von Hoch-Tiefstellung und mit kurzen/langen Verbindungen kodieren.

Das Schöne an der Grundschrift ist, dass man sie relativ schnell erlernen kann. Zumindest grundsätzlich. Bis man sie flüssig schreiben und lesen kann, braucht es schon längere Zeit des Übens. Unschön ist, dass man gerade bei langen Wörtern mitunter weit nach oben oder unten auf der Zeile rutscht und dann vielleicht schon in die darüberliegende Zeile hineinschreibt. Hier hilft aber auch ein Trick, in dem man längere Wörter aufteilt, als wären es mehrere Wörter. Man schreibt sie dann etwas dichter aneinander, aber in der Regel erschließt es sich beim lesen, was zusammen gehört.

Die Aufbauschrift hält nun nach Möglichkeiten Ausschau, wie man vieles verkürzen kann. Man schreibt also nicht mehr alles mit, was wir noch in der Grundschrift weitgehend tun. Hierfür nutzt Stiefo Freiheitsgrade, wo man noch etwas hineinkodieren kann. Eine wichtige Möglichkeit findet sich schnell: Jedes Wort beginnt in der Grundschrift immer auf der Grundlinie. Wenn Wörter nun nicht auf der Grundlinie beginnen, kann man hierdurch gut bestimmte Vorsilben hineinkodieren.

Eine weitere Möglichkeit ist die Vereinbarung von Kürzeln, wie wir es auch aus der Langschrift kennen. Je häufiger Wörter vorkommen, um so kürzer sollte das Kürzel auch sein. Das sieht man schön an den Artikeln der/die/das: Das Kürzel ist einfach ein Punkt. In Stiefo wird der Punkt nicht als Satzende genutzt. Also ist der als Möglichkeit noch frei. Auch können wir den Punkt auf verschiedene Höhen schreiben, womit wir eine weitere Kodierungsmöglichkeit haben. Bei "der" liegt der Punkt kurz über den Grundlinie, bei "die" kurz darunter, bei "das" knapp eine Stufe oben. Auch dies folgt einem Prinzip, man folgt den normalen Regeln für Hoch- und Tiefstellung, wo ja "i" nach unten, "a" nach oben und "e" auf gleicher Ebene bleibt. Daran orientiert man sich bei vielen Kürzeln.

Viele Kürzel bestehen aus einem normalen Buchstaben der Grundschrift. Diese Buchstaben werden typisch in 3 Positionen geschrieben: Hochstellung, Tiefstellung und normale Höhe auf der Grundlinie. Jeder Buchstabe - genauer jeder Konsonant - lässt sich so 3 fach für Kürzel verwenden. Ein "M" auf Grundlinie bedeutet "dem", halb hochgestellt "mein", halb tiefgestellt "mich/mir". (Es gäbe sogar noch weitere Möglichkeiten, wie eine ganze Stufe Hochstellung, wird in der Aufbauschrift I aber nicht genutzt.)

Ein weiteres essenzielles Kürzungsprinzip: Wir verlassen den Weg der Eindeutigkeit. Wir können nun nicht mehr exakt sagen, was etwas bedeutet. Wir brauchen den Kontext, den restlichen Satz, um zu wissen, was es genau bedeutet. Als Beispiel mal der vorherige Satz: "Wir brauch d Kontext, d restl Satz, um zu wiss, was es genau bedeut." Hier zeigt sich schön, dass wir z.B. viele Endungen gar nicht brauchen. Es zeigt aber auch, dass wir viel Übung brauchen, um solche Kürzungen flüssig zu lesen.

Die Aufbauschrift führt auch neue Zeichen ein. Bisher gibt es nur Zeichen für die Konsonanten, jetzt werden Zeichen für ganze Wörter, Vorsilben oder Endungen eingeführt.

Apropos Endungen - im Deutschen gibts vielen Endungen, die sich regelmäßig wiederholen. Hier ist es sehr sinnig, Abkürzungen für die wichtigsten Endungen zu finden. Das sind z.B. "-schaft", "-keit/-igkeit", "-heit", "-ig/-isch", "-ion", "-ung/-igung".

Ein letztens Konzept, was in der Aufbauschrift eingeführt wird und womit man auch einen neuen Freiheitsgrad ausnutzt: 3 stufige Zeichen. Man nutzt hier die einstufigen Konsonanten, schreibt sie nur 3mal so groß. Für die halbstufigen Zeichen definiert man Variationen, damit daraus auch was 3 stufiges wird. Man verwendet diese vor allem für oft vorkommende Worte aus seinem Fachbereich, in dem man schreibt. Man kann sie selber definieren, auch für verschiedene Fachbereiche anders. Ein Psychologe nutzt das 3 stufige "B" z.B. für Bewusstsein, ein Kaufmann nimmt es für Bestellung. Auch kann man damit ganze Floskeln kodieren, z.B. Grußformeln in einem Brief.

Wie üben?

Mir erscheint es am Sinnvollsten, in kleinen Happen zu üben. Man nimmt sich einfach 2-4 neue Kürzel und übt die in den nächsten Wochen. Ich empfand die neuen Möglichkeiten als recht motivierend, spart man sich doch jedes Mal ein paar Schreibbewegungen. Wenn die neuen Kürzel gut verinnerlicht sind, holt man sich die nächsten "Schmankerl", die einem das Schreiben erleichtern. So sollte es mühelos gelingen, über die Zeit sich alle Kürzel zu verinnerlichen.

Buchstabenkürzel

Hier gehts um Kürzel aus einem Buchstaben. Und zwar Buchstaben, die wir schon aus der Grundschrift kennen. Damit gehts hier nicht um neue Konzepte und die Umsetzung ist hier reine Fleißarbeit, die Kürzel zu lernen.

So viele werden hier gar nicht in der Aufbaustufe I vermittelt. Eine umfangreiche Liste aus der Aufbauschrift II findet ihr hier...

Interessant ist, dass hier auch das Mitlautzeichen verwendet wird. Und weil das wie ein kleines "W" aussieht, wird es auch für Wörter verwendet, die mit "w" anfangen. Davon gibts reichlich, insofern auch verständlich, warum man hier noch ein zweites Zeichen "zweckentfremdet" hat.

Nochmal die Buchstaben von oben nach unten: s, m, w, mitlaut, nd, h, f.

Wie ist die Logik bei diesen Kürzeln? Öfter wird der erste Buchstabe eines Wortes genommen. Mitunter aber auch der letzte Buchstabe wie "nd" für "und" oder "sind". Bei mein ist es der erste Buchstabe, bei dem der letzte Buchstabe. Eine strikte Logik gibt es hier nicht.

Wichtig ist, das oft nur die Grundform ohne Endung geschrieben wird. Bei "hab/hast/hat" wird auch "habe" oder "haben" nur mit dem Kürzel geschrieben. Um aber die Zeitformen auseinanderzuhalten, gibts in der Aufbauschrift II noch Kürzel für "hätte" und "hatte". Bei "werd" ist es genaus, das ist das Kürzel was auch für "werden" verwendet wird. Viele Endungen sind irrelevant, um den Text zu verstehen.

Strichzeichen

Die Aufbauschrift I führt zahlreiche neue Zeichen ein, also eine neue einzigartige Form, die etwas Bestimmtes bedeutet. Hier zeige ich die neuen Zeichen, die auf einfachen Strichen basieren und die für häufige Wörter stehen.

Wichtig zu beachten ist, dass 2 waagerechte Strichzeichen nur durch eine minimale Höhenänderung voneinander unterschieden werden. Sie stehen kurz über der Grundlinie oder kurz unter der Grundlinie. Es sind die Wörter aus/so und es/sie. Man hat hier aber auch deutlich Spielraum, kann als deutlich über oder unter der Grundlinie den Strich setzen, weil es mit nichts anderem kollidiert.

Warum an/er/mit aus einem schrägen kurzen Strich bestehen, dazu gibts später noch eine Erklärung, wenn wir die Vorsilben an-/er-/mit- besprechen. Der Winkel ist etwa 30 Grad.

Auch die langen Schrägstriche ein/zu/vor folgen einer Logik, die wir bei den Vorsilben finden werden.

Hier zeigt sich schon, dass bestimmte Wörter auch Vorsilbe oder Endung sein können. Das Wort einfach besteht ja aus "ein" und "fach". Ähnlich ist es bei Mit-gefühl oder An-dacht. Ein mit steht bei "damit" am Ende. Hier gibt es spezielle Regeln, die ich auch später noch erklären werde.

Die Logik ist bei einigen Zeichen ergründbar: Ein langer waagerechter Strich steht für ein "o", wie auch auch ind er Grundschrift der Vokal geschrieben wird, dann ist "so" naheliegend. Beim "sie" steht der kurze waagerechte Strich für "i". Eine Herleitung für "es" und "aus" fällt mir nicht so recht ein. Bei "ist" ist es ein tiefgesetztes "t", was sich auch gut herleiten lässt. Bei "zu" ist es ein "u". Manches wird sicherlich keiner Logik folgen, da wollte man einfach ein häufiges Wort noch mit einem einfachen Zeichen verbinden. Und Striche sind sehr einfach und schnell zu schreibende Zeichen.

Das Wort "auf" ist ein witziges Zeichen, beginnt es ganz außergewöhnlich eine Stufe tiefer und geht dann weit hinauf bis eine halbe Stufe über der Grundlinie. Ich vermute, dass die Bedeutung des Wortes die Idee gegeben hat, im Sinne von "aufwärts". Es gibt nur wenige Zeichen, die 1 Stufe tiefer bgeginnen und 1,5 Stufen Höhenumfang haben. Im Wortinnern wird "auf" übrigens normal ausgeschrieben.

Bogenzeichen

Hier hab ich alle neuen Zeichen zusammengefasst, die eher bogenförmige Gebilde sind. Eine kleine Unstimmigkeit: Die Wörter "da" und "dies" gehören hier nicht hin, sie sind zwar bogenförmig, aber das ist der bekannte Buchstabe "d", damit sind es gewöhnliche Buchstabenkürzel. Ist mir erst später aufgefallen, deshalb sind sie jetzt hier mit aufgeführt.

Die Zeichen word/geworden/wurd kann man auch als Selbstlautzeichen mit "u" am Ende deuten. Der kleine nach unten offene Bogen ist im Grund ein "n" mit Anstrich. Die weiten Bogen sind dann aber doch ganz neu, sowas findet man in der Grundschrift nicht.

Endungen

Mit den Kurzzeichen für Endungen kann man sich viel Schreibarbeit sparen. Im Deutschen gibt es zahlreiche Endungen, die bei vielen Wörtern auftauchen und einiges an Schreibarbeit sind. Hier nun die Endungen mit jeweils einem Beispiel:

Die Endung "-heit" wird eigentlich erst in der Aufbauschrift II erwähnt, aber ich finde diese Endung so wichtig, dass ich sie hier mit reingenommen habe. Sie unterscheidet sich nur durch einen kleinen Kringel von "-keit". Dieser kleine Kringel wird aus der Schreibbewegung gegen den Uhrzeigersinn ausgeführt. Erst in der Aufbauschrift I tauchen zahlreiche neue Zeichen auf, die diesen kleinen Kringel nutzen. Übrigens keine Erfindung der Stiefografie, solche Kringel findet man auch in anderen Kurzschriften, z.B. in der DEK. Bei dem Beispiel Kindheit sieht man, dass man zuerst einen kurzen Strich zieht, dann einen Kringel schreibt und den Strich länger weiter schräg nach oben zieht. Anfangs braucht es Übung und man sollte es langsam machen. Diese Bewegung muss erst geübt werden. Warum gegen den Uhrzeigersinn? Eigentlich könnte man hier auch problemlos mit dem Uhrzeigersinn einen Kringel machen. In den Originalunterlagen wird leider nichts dazu geschrieben, aber ich habs mir unter der Lupe angeschaut, es ist recht sicher gegen den Uhrzeigersinn. Entweder hat sich beim schnellen Schreiben herausgestellt, dass das einfacher ist oder es ist eine reine Gewohnheit von Stief, ohne tiefere Sinn gewesen.

Bei "-lich/entlich" wird auch ein neues Zeichen mit Kringel eingeführt. Es wird von der Höhe deutlich unter 1/2 Stufe geschrieben, hängt aber auch etwas vom vorherigen Zeichen ab. Der Übergang vom "s" zum "-lich" im Beispiel "wesentlich" gelingt oft nicht so flach, aber vom "n" zum "-lich" würde ich es eher auf 1/4 Stufe hoch schreiben. In den Orignal-Unterlagen schwankt die Höhe auch stärker. Dieser Kringel wird hier - wie ich es nochmal im Bild verdeutlicht habe, mit dem Uhrzeigersinn geschrieben. Warum? Am einfachsten ist es, wenn man Kurven, die man einmal eingeschlagen hat, einfach weiter dreht. Der Bogen beschreibt ja schon eine Rechtskurve, also macht man den Punkt genauso.

Übrigens: Wenn man das Wort "endlich" im Text hat, lässt sich auch einfach das Zeichen für die Endung "entlich" schreiben.

In seltenen Fällen kommt es vor, dass wir gleich 2 Endungen hintereinanderhängen müssen. Zum Beispiel beim Wort "Möglichkeit". Da haben wir also "-lich" und "-keit". Man kann hier nach dem Kringel direkt den Schrägstrich vom "-keit" anhängen. Beim Wort "Wirtschaftlichkeit" sinds sogar 3 Endungen: "-schaft", "-lich", "-keit".

Insgesamt zeigt sich, dass wir durch neue Zeichen für Endungen die Schreibgeschwindigkeit deutlich steigern können.

Noch was Wichtiges zu Endungen: Manche kann man direkt weglassen. Die Endung "-en" oder "-e" zum Beispiel in der Regel weggelassen. Man schreibt als nicht "Fragen" oder "Frage", sondern einfach nur "Frag".

Kringel und Punkte

Kringel und Punkte sind neu, aus der Grundschrift kennen wir sie nicht. Ein Punkt ist so mit das einfachste Zeichen, dem man Bedeutung geben kann. Und das auch noch abhängig davon, auf welcher Höhe man den Punkt setzt. So ein Zeichen verwendet man natürlich für die am häufigst vorkommenden Worte. Hier sind es die Artikel "der/die/das".

Die kleinen Kringel mit Schweif kennen wir ja schon von der Endung "-lich/entlich". Man kann so ein Zeichen auf verschieden Weisen schreiben: Zuerst Punkt, dann Schweif oder umgedreht. Und Schweif nach oben oder nach unten. Hier haben wir nur Schweif nach unten, aber einmal Punkt zuerst, dann am Ende. Alle Punkte werden gegen den Uhrzeigersinn geschrieben, wie ich nochmal verdeutlicht habe. Die Wörter "für" und "nach" können so auch als Vorsilbe genutzt werden. Überhaupt eignen sich die meisten Zeichen hier dafür, sie wie normale Buchstaben zu koppeln. Das ist wichtig, wenn das Wort sowohl als Vorsilbe, wie als Nachsilbe oder sogar mitten im Wort auftaucht (Beispiel da-gegen, gegen-einander, da-gegen-halten).

Bei "dich" ist es in Wirklichkeit nicht ein Zeichen, sondern ein "d" und "ich" sind 2 verbundene Zeichen. Deshalb ist der Schweif auch länger.

Bei "gegen" ist es ein deutlich größerer Kringel. Dieser mittelgroße Kringel wird uns in der Aufbauschrift noch mehrfach begegnen. Hier gibt es noch einige weitere Wörter, die diese neue Zeichenklasse verwenden.

Ich hab hier einige Wörter mit reingenommen, die eigentlich erst in der Aufbauschrift II auftauchen, aber ich finde, die sollte man schon früher kennen, z.B. die Wörter "ich" oder "auch".

Abkürzungen aus mehreren Buchstaben

Aus der Langschrift kennen wir Abkürzungen, wo bedeutende Buchstaben eines Wortes für das Kürzel genommen werden, teilweise auch mit einem Punkt hinter jedem Buchstaben, um die Abkürzung zu erkennen. Solche Abkürzungen gibt es in Stiefo auch, aber ohne jede Kennzeichnung, dass es sich um Abkürzungen handelt. Es werden einfach bestimmte Zeichen direkt hintereinandergehängt.

Die Aufbauschrift I definiert hier nur ganz wenige solcher Abkürzungen, in der Aufbauschrift II hingegen werden viele solcher Wortkürzel festgelegt.

Man ist nicht gezwungen, diese Kürzel für sich zu verwenden. Im Grunde kann sich jeder beliebige Kürzel selber definieren. Müssen Stenotexte aber von anderen gelesen werden, ist es sinnvoll, wenn man sich an Konventionen hält.

Aufbauschrift I definiert nur für 3 Wörter Abkürzungen, die aus mehreren Buchstaben bestehen. Ein wichtiges Merkmal ist, das der erste Buchstabe durch die Höhe definiert ist, wo man zu schreiben beginnt. Eine halbe Stufe nach oben und ein "a" ist gemeint. Das Wort "aber" wird also durch "abe" abgekürzt. Oft ist es auch so, dass ein letzter Aufstrich mit "er" interpetiert wird. Das hat etwas mit dem Kürzel "er" zu tun, was genau diesen Schrägstrich ausmacht. Hier gibt es also eine Doppelbedeutung: Aus der Grundschrift kennen wir den Schrägstrich am Ende nur als Vokal "e", in der Aufbauschrift kommt eine parallele Bedeutung "er" dazu. Und was konkret gemeint ist, muss man deuten bzw. man muss sich einfach die Kürzel einprägen. Interpetieren wir den letzten Aufstrich mit "er", ist es in Wirklichkeit gar keine Abkürzung, alle Buchstaben sind kodiert, so dass wirklich ein "aber" herauskommt.

Man könnte es in der Tat auch ganz stumpf angehen und sagen, ein "aber" ist wie ein neues Zeichen. Wenn ich dieses Zeichen auf einer bestimmten Höhe erkenne, weiß ich, dass es das Wort "aber" ist. Das man sich die Bedeutung herleiten kann, hilft aber in der Übungsphase noch sehr. Später spielt es keine Rolle mehr.

Bei "über" ist das "ü" durch die Tieferstellung kodiert und die Endung ist wieder ein "er". Auch hier steht also tatsächlich "über".

Bei "unter" wird ein "nt" und ein "er" zusammengehängt. Weil wir das Kürzel für "und" schon kennen, ist das auch wieder leicht abzuleiten mit "und + er".

Wer neugierig ist, welche Mehrbuchstabenkürzel es in der Aufbauschrift II gibt, kann hier in Stiefblog schauen.

Anstrich-Vorsilben

Aus der Grundschrift ist bekannt, dass ein Anstrich von der Grundlinie zum ersten Zeichen eine Bedeutung hat. Ist er kurz, bedeutet es ein "e", ist er lang, bedeutet es ein "u" am Anfang des Wortes.

Die Aufbauschrift I verlässt hier die Eindeutigkeit und fügt "er" und "zu" als Bedeutung hinzu. Das was in der Grundschrift also definitiv ein "e-" war, kann nun "e-" oder "er-" sein. Hier ist es auch einfach: Lese ich z.B. "ekunden", weiß ich natürlich sofort, dass es "erkunden" sein muss. Viele sprechen das "r" auch an dieser Stelle oft nicht deutlich aus.

Bei "-u/-zu" ist es nicht ganz so trivial, lesen wir aber "ugeben", wissen wir auch hier, dass es "zugeben" heißen muss. Hier zeigt sich auch, dass die Aufbauschrift erst dann leicht wird, wenn wir die Schreibmuster vieler Wörter soweit verinnerlicht haben, dass wir sie wie in der Langschrift mit einem Blick erfassen.

Denkbar wäre, dass es Wörter gibt, die es mit "-u" und "-zu" am Anfang gibt, die also ansonsten identische sind. Dann haben wir eine echte Mehrdeutigkeit, die wir direkt nicht auflösen können. Dann kommt der Kontext hinzu, der uns hilft, die Bedeutung zu erkennen. Oder man gewöhnt sich an, solche Wörter in der "zu-" Version nicht zu kürzen.

Jetzt kommt ein weiterer Freiheitsgrad hinzu, den wir für neue Kodierungen nutzen können. Durch die ganze Aufbauschrift I zieht sich das Thema "Hochstellung/Tiefstellung". Bisher beginnt der Anstrich immer auf der Grundlinie. Jetzt holen wir die Varianten 1/2 unter der Grundlinie und 1/2 über der Grundlinie mit hinein und schauen. Damit haben wir 4 neue Möglichkeiten für Vorsilben. Und diese nutzen wir für "mit/an" und "vor/ein". Damit haben wir insgesamt 6 Vorsilben, die über die Art des Anstriches kodiert sind.

Schauen wir uns an, wie das mit der Tiefstellung bei der Vorsilbe "mit-" gemacht wird. Das erste Wort oben heißt "mitgeben". Wir fangen 1/2 unter der Grundlinie an. Der nächste Buchstabe "g" wird auf der selben Höhe geschrieben, wie der Anstrich. Das ist hier grundsätzlich so. Das ganze Wort verschiebt sich sozusagen eine halbe Stufe nach unten. ABER: Hätte man die Vorsilbe ausgeschrieben, wäre man mit dem Wort auch auf dieser Höhe gelandet. Das liegt daran, dass man bei der Tiefstellung eine Vorsilbe mit "i" beim Sprachdesign gewählt hat. So zieht sich das konsistent durch: Tiefstellung sind Vorsilben mit "i/o", Hochstellung sind Vorsilben mit "a/ei".

Ich habe hier eine weitere Kürzungsform mit eingebaut, ich habe nicht "mitgeben", sondern "mitgeb" geschrieben. Das wird in der Aufbauschrift häufig gemacht, dass man gerade die Endung "-en" nicht mitschreibt. So nach dem Motto: "Fehlt klar eine Endung, häng ein "-en" an."

Nach dem gleichen Prinzip von "mit-" funktioniert das "an-". Hier wird 1/2 hochgestellt. Das folgende Wort wird auf diese Höhe mit hochgezogen. Hätte man die Vorsilbe ausgeschrieben, hätte man das Wort auch auf dieser Höhe vorgefunden.

Mit den langen Anstrichen verhält es sich genauso. Der Winkel der Anstriche ändert sich natürlich, je nachdem ob das folgende Zeichen halbhoch ist oder eine ganze Höhe einnimmt.

Jetzt wird auch klar, warum für die Wörter "er, mit, an, zu, vor, ein" neue Zeichen eingeführt wurden, alles Strichzeichen. Man hat sich hier einfach an den Anstrichen aus den Vorsilben orientiert. Sie haben einzeln geschrieben den Winkel, als würden sie auf ein halbhohes Zeichen treffen. Das ist ja auch so eine konsistente Vereinbarung, dass man vieles so schreibt, als würde es auf das Selbstlautzeichen "c" treffen.

Apropos Selbstlautzeichen "c": Wenn nach der Vorsilbe kein Konsonant, sondern ein Vokal kommt, haben wir ein Problem. Das Wort "Mitesser" wäre so ein Fall. Das können wir aber ganz einfach mit dem Selbstlautzeichen lösen, was nach dem Anstrich kommt.

Eine weitere Variante ist auch möglich: Wir können immer auch die Vorsilbe auch einzeln schreiben, also bei "zu" den langen schrägen Strich auf der Grundlinie. Dahinter folgt das Wort ohne Vorsilbe und den Abstand zwischen diesen beiden Wörtern machen wir etwas enger, damit wir wissen, dass das zusammen gehört. So kann man in Stiefo vieles getrennt schreiben, was eigentlich zusammen gehört. Damit verhindert man z.B., dass man zu weit nach oben oder unten läuft.

Strich-Vorsilben (waagerecht)

Kurze und lange waagerechte Striche haben wir schon bei den Wörtern "so", "aus", "es" und "sie" kennegelernt. Auch bei den Endungen "-ig/-isch" und "-ion" sind sie uns begegnet.

Stiefo bietet einen weiteren Freiheitsgrad, der noch ungenutzt ist: Einen waagerechten Strich, der zum ersten Zeichen läuft. Bei einem halbhohen Zeichen ist dieser auf halber Höhe, bei einem einstufigen Zeichen hingegen auf ganzer Höhe. Und dieser Strich kann nun auch kurz oder lang sein. Damit bietet es sich an, diesen Freiheitsgrad für häufige Vorsilben zu nutzen.

Der kurze Strich wird für die Vorsilbe "ge-" verwendet, der lange für "aus-". Letzteres entspricht auch dem Wort "aus", welches allerdings als Einzelwort kurz über der Grundlinie geschrieben wird.

Auch hier wieder bei den Beispielwörtern teilw. Kürzungen an den Endungen, nach dem Motto der Aufbauschrift: "Lass alles weg, was nicht nötig ist." (gegeb, gespiel, gestell, gefall, gejag, Auskom, ausgeb)

Das "k", was so waagerecht "angefahren" wird, sieht erstmal etwas komisch aus, fällt aus dem Muster, wie man sich das "k" vorstellt. Auch bei anderen Buchstaben brauchts vielleicht erstmal etwas Gewöhnung an die neu entstehenden Muster. Es gibt ja in der Grundschrift keine waagerechten Verbindungen, normal laufen Verbindungen zu einem Buchstaben immer schräg nach oben.

Zu "ge" gibts noch eine Kürzungsgeschichte: Taucht sie im Wortinnern in Form einer Vorsilbe auf, kann sie weggelassen werden. Das Wort bleibt trotzdem hinreichend lesbar. Beispiele: hingegeben -> hingeb, aufgegeben -> aufgeb, abegegeben -> abgeb, weggelassen -> weglass. In diesen Beispielen hab ich auch die Endungen weggelassen, weil sie nicht relevant sind.

...wird fortgesetzt...