Webdesign: Warum der Standard 800x600 Auflösung wichtig ist

Winfried Mueller, www.reintechnisch.de, Start: 28.01.04, Stand: 22.11.04

In der letzten Zeit begegne ich dem Problem immer häufiger. Internetseiten lassen sich mit einer Bildschirmauflösung von 800x600 nicht vernünftig benutzen. Ein hin- und herscrollen ist ziemlich lästig. Manche Seiten sind überhaupt nicht unter dieser Auflösung benutzbar, weil Scrollbalken fehlen. Auf Information kann einfach nicht zugegriffen werden, weil sie nicht sichtbar ist.

Eigentlich hätten wir all diese Probleme nicht, wenn Webseiten richtig gestaltet wären. Eine gute Webseite sollte nach unten fließen können, weil: Nach unten ist immer Platz. Nach unten scrollt man gewöhnlich. Bei der Breite ist man begrenzt bzw. es nervt, wenn man sowohl in der Breite wie in der Länge scrollen muss. Gute Webseiten passen ihre Breite an die Möglichkeiten der Clienthardware an. Soweit theoretisch.

Praktisch gibt es immer wieder mal Gründe, warum dieses Gebot nicht eingehalten werden kann. Hat man ein mehrspaltiges Design und braucht für die Spalten eine gewisse Breite, ist dieses Gebot nur in bestimmten Grenzen realisierbar. Es gibt Bildschirmelemente, die eine bestimmte Breite brauchen, um benutzbar zu sein, z.B. Buttons, Eingabefelder, Links, Bilder.

Die zentrale Frage ist dann: Was ist die Minimalbreite, bei der die Webseite noch ohne zu scrollen darstellbar sein soll.

Die Frage wurde zu Ende des letzten Jahrtausends klar beantwortet. Es gehört zur Grundregel guten Webdesigns, das man von 800x600 Pixel Minimalauflösung ausgeht. Auf Geräten mit dieser Auflösung soll eine komfortable Benutzung möglich sein.

Der Wert wurde festgelegt, weil zu dieser Zeit die meisten Geräte auf 800x600 eingstellt waren. Mittlerweile wird es wohl kaum noch Arbeitsplatz-Computer geben, die eine geringere Auflösung haben.

Diesen Wert finde ich einen guten Kompromiss, weil sich mit dieser Breite doch in den meisten Fällen gutes Seitenlayout hinbekommen lässt.

Mittlerweile hat sich die Auflösung vieler Bildschirme nach oben entwickelt, so dass die meisten mindestens 1024x768 (15 Zoll TFT) oder 1280x1024 (17-19 Zoll TFT) als Auflösung benutzen. Und damit setzte das große Problem ein: Webseiten wurden für den eigenen Bildschirm passend entworfen. Es wird nicht mehr bedacht, dass noch genügend Menschen Bildschirme mit 800x600 Auflösung benutzen.

Derzeit (Jan.2004) schätze ich, dass ca. 40 % der Nutzer noch Geräte mit einer Auflösung von 800x600 benutzen. Man denke an die vielen gebrauchten Rechner mit 15 Zoll Röhrenmonitor. Und auch auf vielen 17 Zoll Röhrenmonitoren ist eine Auflösung von 800x600 unter Windows augenfreundlicher. Wenn ich mich bei Banken und in der öffentlichen Verwaltung umschaue, sehe ich noch sehr viele Geräte mit einer 800x600er Auflösung.

Aber selbst, wenn es nur noch 10% der Nutzer sind, die auf 800x600 angewiesen sind, macht man es diesen Menschen schwer, das Internetangebot zu betrachten, wenn es ungünstig auf 1024x768 angepasst ist. Jeder zehnte ist genervt von ihrem Auftritt. Wenn man sieht, wieviel wir über Arbeitslosigkeit sprechen, weiß man, was 10% sind. Momentan sind es jedoch viermal mehr, also jeder zweite oder dritte, der sich von so einem Angebot genervt fühlt.

Ich glaube, dass 90% der Angebote, die nur auf 1024x768 vernünftig funktionieren, schlichtweg aus Nichtwissen oder Unachtsamkeit entstehen. Kaum jemand braucht wirklich die erweiterten Möglichkeiten, die ihm die 1024 Bildpunkte bescheren.

Mir ist es deshalb so wichtig, auf dieses Problem aufmerksam zu machen und alle Webdesigner zu bitten: Testet eure Internetseiten mit 800x600er Auflösung!

Mit ein bisschen Aufmerksamkeit diesem Aspekt gegenüber kann viel Ärger vermieden werden.

Im übrigen: Die meisten großen und professionellen Angebote halten diese Regel ein. Sie sind für 800x600 optimiert bzw. unter diesen Bedingungen gut benutzbar. Firmen, für die ihr Internetangebot wichtig ist, können es sich nicht leisten, Kunden wegen schlechtem Webdesign zu verlieren. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier, nicht jede Firma verhält sich ökonomisch günstig.

Aber selbst dann, wenn man nicht gewillt ist, die Wünsche der Menschen zu berücksichtigen, die auf 800x600 angewiesen sind, sollte man seine Seite unter 800x600 testen. Denn sie sollte zumindest so funktionstüchtig sein, dass man grundsätzlich an jede Information herankommt, auch unter 800x600. Es gibt nämlich tatsächlich Seiten, bei denen unter 800x600 z.B. das Impressum fehlt, weil es nach unten wegrutscht und nichts zum scrollen da ist. In so einem Fall verstößt man sogar gegen geltendes Recht.

Mir ist es auch noch wichtig, auf einen ökologischen Aspekt aufmerksam zu machen. Unsere Marktwirtschaft hat nämlich ein Spiel entwickelt, wo man gerade in der Computerbranche gezwungen wird, ständig neue Hardware und Software zu kaufen. Die nächste Version Software funktioniert nur mit neuer Hardware. Vieles davon ist eigentlich technisch nicht nötig und dient nur dazu, den Markt anzukurbeln. Dadurch verbrauchen wir sinnlos Energie und Geld. Wer heutzutage einen 3-5 Jahre alten Computer hat, kann damit schon viele Angebote nicht mehr nutzen. Das dieser Effekt nicht technisch sondern wirtschaftlich getrieben ist, zeigt das freie Betriebssystem Linux. Hier wirkt kein geldgetriebener Markt, hier geht es nicht darum, dass Menschen immer wieder neue Geräte kaufen sollen. Und hier funktioniert mitunter 10 Jahre alte Hardware immer noch vorzüglich für neueste Software-Versionen.

Will man diesen Wahnsinn, dass immer wieder sinnlos neues produziert wird, nicht unterstützen, dann muss man auf Standards setzen, die Bestand haben. Und solch ein Standard ist die Auflösung von 800x600. Nur so ist gewährleistet, dass auch Menschen mit älteren Computern ihren Spaß am Internet haben. Und wer Menschen ständig antreibt, neueste Technik zu kaufen, erntet vielleicht irgendwann Ablehnung und Verweigerung.

Schon Albert Einstein sagte: "Mach es so einfach wie möglich, aber nicht einfacher."