Der Vergaser des Motorrollers Piaggio Sfera 125 RST

Winfried Mueller, www.reintechnisch.de, Start: 2004, Stand: 24.03.2005

Bei der Sfera 125 RST kommt ein Mikuni BS24-1 Vergaser zum Einsatz. Die 24 steht für 24mm Saugrohrdurchmesser in Höhe der Drosselklappe. Im übrigen haben viele Roller Vergaser der BS-Serie von Mikuni, die ganz ähnlich aufgebaut sind.

Ein Vergaser ist generell ein kompliziertes Stück Technik. Es kommt auf viele Details an, damit er auch richtig funktioniert. Beim Zerlegen sollte man deshalb äußerst vorsichtig zu werke gehen. Teile kann man mit einem Edding markieren, um sie wieder richtig einzubauen. Zusammenbaudetails sollte man sich genau anschauen, um sie zu verstehen und auch wieder korrekt zusammenbauen zu können. Kleinste Fehler können die Funktionalität beeinträchtigen. Manche Teile sind auch mechanisch recht empfindlich und müssen vorsichtig behandelt werden.

Der Vergaser besteht aus dem Leerlaufsystem, der Startanreicherung (Choke), dem Hauptsystem, der Benzinstandregulierung in der Schwimmerkammer und der Beschleunigerpumpe.

Benzinstandregulierung

In der Schwimmerkammmer soll immer der gleiche Füllstand an Benzin vorhanden sein. Dies ist wichtig, damit bei einem gegebenen Unterdruck etwa gleiche Mengen an Benzin angesaugt werden. Hierzu gibt es ein Nadelventil, was durch den Schwimmer bei einem bestimmten Benzinstand verschlossen wird, ganz ähnlich wie man das von einem Spülkasten kennt. Um Vibrationen auszugleichen, federt das Schwimmerventil etwas. Wird Benzin verbraucht, öffnet das Ventil, Benzin fließt nach bis der Füllstand erreicht ist, das Ventil schließt. In der Schwimmerkammer ist also immer ein gleichbleibender Benzinstand. Eine Ausnahme ist beim Start: Wenn der Roller einige Zeit steht, verdunstet das Benzin im Vergaser und es fließt auch kein neues nach, weil der Unterdruckbenzinhahn geschlossen ist. Startet man dann den Motor, wird durch den Unterdruck der Benzinhahn geöffnet und es braucht Zeit, bis genügend Benzin nachgeflossen ist, um wieder auf den normalen Füllstand zu kommen. Während dieser Zeit tritt das Problem auf, dass das Gemisch abgemagert ist und es dann zu Startschwierigkeiten kommen kann.

Einstellung des Schwimmerstandes: Der Vergaser wird bei abgenommener Schwimmerkammer auf den Kopf gestellt. Die höchste Stelle des Schwimmers muss 12.2 mm höher als die Dichtungskante des Vergaser-Gehäuses sein.

Leerlaufsystem

Dieses sorgt für ein passendes Benzin-Luftgemisch im Leerlauf. Das optimale Verhältnis mit Lambda = 1 liegt ja bei 14,7:1 Luft zu Benzinmasse. Gewöhnlich wählt man im Leerlauf ein etwas fetteres Gemisch (Lambda 0,85...1). Für das Leerlaufsystem gibt es eine extra Leerlaufdüse, über die das Benzin aus dem Schwimmergehäuse angesaugt wird (20er Düse). Dieses gelangt insgesamt über 3 Bohrungen in den Ansaugkanal: 2 befinden sich direkt im unteren Bereich der Drosselklappe. Sie sind sichtbar, wenn man die Drosselklappe minimal öffnet. Ein weiteres Loch befindet sich unterhalb ziemlich nahe zum Zylinder hin (das Kleinere Loch, das größere ist für den Choke), etwa 10 mm von der Drosselklappe entfernt. Die Menge Benzin, die über dieses dritte Loch einströmt, kann an der Leerlauf-Gemischschraube eingestellt werden. Je weiter man diese raus dreht, um so mehr Benzin kann einströmen, um so fetter wird also das Gemisch. Die Leerlauf-Gemischschraube befindet sich links unterhalb der Drosselklappenmechanik.

Die Luft strömt durch die leicht geöffnete Drosselklappe ein. Die Öffnung kann man über den Anschlag der Drosselklappen-Mechanik einstellen (Leerlaufeinsteller). Prinzipbedingt lässt sich dies nur sehr schwer einstellen, geringste Änderungen an der Einstellschraube sorgen für große Luftveränderungen, Feingefühl ist nötig.

Es gibt noch eine weitere Luftöffnung, eine 135er Düse, die sich oben in der Unterdruckkammer befindet.

Ein Standard-Wert für die Einstellung der Leerlaufgemisch-Schraube sind 2,5 Umdrehungen. Man dreht diese also vorsichtig und sanft vollständig ein und dreht dann wieder 2,5 Umdrehungen raus. Man kann die optimale Stellung auch experimentell ermitteln. Hierfür schraubt man erstmal auf 2,5 und dann vorsichtig rein, bis der Motor langsamer dreht (wegen zu magerem Gemisch). Dann wieder soweit raus, bis der Motor ebenfalls langsamer dreht (zu fettes Gemisch). Dazwischen liegt etwa in der Mitte das Optimum. So die Theorie. Ob das praktisch funktioniert und man diesen Regelbereich hat, habe ich noch nicht getestet. Beim Einstellen immer dran denken: Motor muß betriebswarm sein und Roller sollte waagerecht stehen.

Das Leerlaufsystem sollte eigentlich so eingestellt sein, dass es bei warmen Motor optimal mischt. Dann hat man aber evtl. Probleme in der Startphase, weil das Gemisch dann zu mager ist. Das liegt daran, dass sich der Sprit an den kalten Zylinderwänden absetzt und nicht vollständig verbrennt. Bei Startschwierigkeiten kann man also probieren, das Leerlaufgemisch etwas fetter einzustellen.

Benzin wird über das Leerlaufsystem übrigens hauptsächlich nur dann angesaugt, wenn die Drosselklappe fast geschlossen ist. Dann ist die Strömungsgeschwindigkeit an den 2 Bohrungen vorbei recht hoch. Wenn die Drosselklappe weiter geöffnet ist, fällt die Strömungsgeschwindigkeit ab und damit wird wesentlich weniger Kraftstoff hierüber angesaugt.

Startanreicherung

Während der Startphase, wenn der Motor noch kalt ist, ist keine optimale Gemischbildung möglich, weshalb er ein fetteres Gemisch braucht. Diese Anreicherung geschieht über das Choke System.

Der Vergaser verfügt über einen elektrischen Choke. Dieser ist in einem schwarzen Plastikgehäuse und außerhalb das Vergasers rechts aufgeschraubt. Eine eingebaute Heizplatte, die nach dem Start mit Spannung versorgt wird, erwärmt einen Zylinder, in dem ein Wachs enthalten ist, welches sich ausdehnt und einen Stößel langsam etwa innerhalb von 2-3 Minuten vollständig herausfährt. Dadurch wird die Choke-Düse vollständig verschlossen und kein Gemisch kann mehr über das Choke-System gelangen. Damit ist als das Choke-System nur während der Startphase aktiv. Während des Fahrens wird der Choke immer mit Spannung versorgt um den Zylinder zu erwärmen. Wird der Motor ausgeschaltet, kühlt der mit Wachs gefüllte Zylinder langsam ab und der Choke öffnet sich wieder.

Dieses Verhalten ist übrigens nicht optimal. Hat man den Roller nur 10 Minuten abgestellt, ist der Choke schon wieder offen, egal wie lange man vorher gefahren ist. Das bedeutet also nach jeder Pause ein fettes Gemisch, auch wenn der Motor noch warm ist. Bei der Sfera bedeutet das auch, dass der Motor während dieser Phase recht hoch im Stand dreht.

Die Luft für das Startsystem kommt von einer Extra-Bohrung, die man von der Luftfilterseite im Ansaugkanal sieht, wenn man den Hauptdüsenkolben nach oben bewegt. Es ist seitlich auf der rechten Seite, etwa 4mm Bohrung.

Nimmt man den Choke heraus, sieht man alle 3 Bohrungen. Unten die Benzinzufuhr von der Choke-Düse, links etwas angefräst die Zuluft, vorne die Bohrung, die auf Zylinderseite in den Ansaugkanal ragt (die große 3mm Bohrung rechts), wo das Gemisch angesaugt wird.

Beschleunigerpumpe

Die Beschleunigerpumpe ist außen sichtbar und wird von der Drosselklappenmechanik betätigt. Es ist der Stößel, der durch den schwarzen Plastikhebel heruntergedrückt wird. Hierüber wird zusätzlich Benzin über eine kleine Düse eingespritzt, wenn man den Gaszug schnell aufreißt. Dies soll eine Gemischanreicherung bringen, um schneller beschleunigen zu können. Wird dagegen der Stößel nur langsam betätigt, was einem langsamen aufdrehen das Gases entspricht, wird kein Benzin eingespritzt. Wer also sparsam fahren will, gibt sanft Gas.

Hauptsystem

Beim Gasgeben wird die Drosselklappe geöffnet. Die Hauptdüse (87,5er) legt die maximale Benzinzufuhr bei Vollast fest. Im Teillastbereich gibt es eine Nadel, die in einem Kolben befestigt ist, der sich im Ansaugkanal befindet. Diese Nadel taucht in eine Düse ein. Da die Nadel konisch ist, kann um so mehr Sprit angesaugt werden, je weiter die Nadel heraus fährt.

Wie bewegt sich nun dieser Kolben? Wenn die Drosselklappe sich öffnet, entsteht am Kolben ein Unterdruck, weil er es nun ist, der die Luftzufuhr begrenzt. Dieser Unterdruck zieht über 2 Löcher unterhalb des Kolbens in der Unterdruckkammer oberhalb der Membran die Luft heraus. Der Kolben wird mittels einer Feder nach unten gedrückt, nun aber durch den Unterdruck nach oben bewegt. Würde er zu weit öffnen, verrringert sich der Unterdruck, weil der Kolben die vorbeiströmende Luft nicht mehr so behindert. Mit sinkender Strömungsgeschwindigkeit sinkt auch der Unterdruck. Wir haben hier also ein Regelsystem und der Kolben regelt sich in der Höhe immer so ein, dass etwa die gleiche Strömungsgeschwindigkeit entsteht. Die Unterseite der Membran ist übrigens direkt mit dem Ansaugkanal Luftfilterseitig über große Bohrungen verbunden.

Es gibt noch eine weitere kleine Luftdüse (etwa 40er), im Membrangehäuse, die mit der Hauptdüse verbunden ist. Der Sinn ist mir nicht ganz klar.

Die Nadel kann man aus dem Kolben nehmen, in dem man das Unterdruckgehäuse oben öffnet (2 Schrauben). In der Mitte der Membran befindet sich eine große blaue Schraube, die man vorsichtig herausdreht, hierbei nicht die Membran belasten. Darunter befindet sich eine Feder mit Plastikführung und darunter kann die Nadel herausgezogen werden. Die Nadel kann in verschiedenen Höhen eingehängt werden, um den Vergaser anders abzustimmen. Standard ist die zweite Kerbe von oben. Hängt man sie tiefer (oberste Kerbe), hat man ein ärmeres Gemisch, hängt man sie höher, ein Fetteres.

Achtung: Beim Zusammenbau muss man darauf achten, dass die Plastiknase an der Nadel im Kolben richtig einrastet. Sonst stimmt die Höhe der Nadel nicht und außerdem steht sie dann schief. Ist mir selber schon versehentlich passiert.

Sonstiges

Der Schlauchanschluß links neben der Beschleunigerpumpe ist der Überlauf, falls mal zu viel Benzin in den Vergaser gelangt oder die Maschine umkippt. Der Schlauch unten am Schwimmergehäuse ist der Ablauf. Über eine Schraube kann man das Benzin dort ablassen.

Nur gute Kreuzschlitzschraubendreher für die Schrauben benutzen (Philips Größe 2). Die Schrauben sitzen mitunter sehr fest. Sind sie erstmal ausgenuddelt, hilft nur noch ausbohren - ist echt unschön.

Abstimmungsprobleme

Der Vergaser ist bei der Sfera 125 ein Sorgenkind, weil er nur schlecht abgestimmt ist. Das betrifft vor allem die Startphase und fällt besonders dann auf, wenn der Roller ein paar Tag stand. Weil die Vespa ET4 den gleichen Motor hat (bis etwa Baujahr 2000), gibt es hier die gleichen Probleme.

Es scheint darin zu liegen, dass das Gemisch in der Startphase nicht fett genug ist. So ohne weiteres bekommt man das Problem nicht in den Griff. Ein paar Tipps habe ich ja bereits weiter oben gegeben.

Wer es wirklich in den Griff bekommen will, muss mit dem Vergaser experimentieren und ihn anders abstimmen. Das kann viel Aufwand und Kleinarbeit bedeuten. Ein paar Möglichkeiten wären: Größere Choke-Düse; Luftzufuhr zum Chokesystem verkleinern; Leerlauf-Gemisch anreichern (suboptimal).

Vielleicht könnte man auch einen anderen Vergaser montieren, den man besser abstimmen kann.

Wie auch immer, wer hier gute Erfahrungen gemacht hat, berichte mir bitte. Ich stelle die Infos dann hier zur Verfügung.

Fehlersuche Vergaser

  • Membran in Ordnung (ohne Löcher)? Richtig eingebaut?
  • Düsen sauber? -> Mit Druckluft ausblasen
  • Schwimmerstand korrekt?
  • Leerlauf-Gemisch Schraube korrekt eingestellt?
  • Leerlauf-Drehzahl korrekt eingestellt?
  • Gasbowdenzug in Ordnung?
  • Benzinversorgung ok?
  • Schwimmernadelventil schließt korrekt?
  • Schwimmer dicht? Oder befindet sich Benzin im Schwimmer?
  • Luftfilter sauber? Anschlußschläuche ordentlich befestigt und nicht verstopft?
  • Schwimmernadel korrekt eingestellt? Schwimmernadel nicht verbogen?
  • Kolben bewegt sich leichtgängig?
  • Gegenfeder oberhalb der Membran eingesetzt?
  • Choke fährt vollständig aus, bei 12 V nach 2-3 Minuten? Spannung kommt bei laufendem Motor am Choke an? Choke-Widerstand ist ok? (30-40 Ohm)
  • Vergaser ist dicht? Gummidichtung richtig eingelegt?
  • Feder der Beschleunigerpumpe eingebaut?