Entmagnetisieren von Schraubendrehern

Winfried Mueller :: reintechnisch.de :: Start: 08.03.13 :: Stand: 08.03.13

Magnetische Schraubendreher können ganz praktisch sein. Gerade bei Torx oder Kreutzschlitz kann man so die Schraube dranheften, um sie dann irgendwo einzuschrauben. Auch beim Herausdrehen kann das praktisch sein, weil sie so nach dem Herausdrehen nicht herunterfällt.

Mitunter sind magnetische Werkzeuge aber auch sehr unpraktisch, wenn man z.B. mit einem kleinen Schraubendreher oder einer Pinzette kleinste SMD-Bauteile positionieren möchte. Oder wenn man Uhren oder Feinmechanik zerlegt, stört Magnetismus auch. Hier will man möglichst völlig unmagnetische Werkzeuge. Doch wie bekommt man den Magnetismus wieder aus einem Werkzeug heraus?

Ich erinnerte mich, dass wir vor 20 Jahren in einer Elektronikwerkstatt so ein Magnetisierer/Entmagnetisierer, wie oben abgebildet, hatten. Und dann sah ich das Teil in einer Billig-Noname-Ausführung bei einem Versender. Also gleich mitbestellt und wenig später ausprobiert. Die Ergebnisse waren enttäuschend. Zwar bekam man etwas vom Magnetismus weg, aber bei weitem nicht alles. Späne oder kleine Bauteile blieben weiterhin am Schraubendreher hängen. Ich schob es recht schnell auf die billige Noname-Ausführung und hakte es ab.

Ein Jahr später beschäftigte mich das Thema wieder und ich wollte es nochmal wissen. Also bestellte ich diesmal das Markenteil von Wiha. Wiha ist ja ein Hersteller von hochwertigen Schraubendrehern, die sollten doch auch sowas gut können. Aber auch hier klappte es genauso wenig. Und da erinnerte ich mich auch an die damaligen Erfahrungen aus der Elektronikwerkstatt. Auch da hatte es nämlich gar nicht richtig funktioniert und wir benutzten das Teil nur noch zum Magnetisieren.

Für mich war der Fall eigentlich schon abgehakt. Ich war der Überzeugung, dass das so ein Werkzeug ist, was überall verkauft wird, aber eigentlich gar nicht funktionieren kann. Aus physikalischen Gründen. Vermutlich bekommt man etwas nur hinreichend entmagnetisiert, wenn man über eine Wechselstromspule ein abklingendes Wechselfeld erzeugt, in die man die Klinge einbringt. Und weil so ein Werkzeug für den Massenmarkt viel zu teuer wäre, gibt es sowas für diesen Anwendungsfall einfach nicht.

Was ich bei diesem Werkzeug auch nicht verstand, waren die verschiedenen Treppen im Demagnetisierbereich. Selbst der Markenhersteller Wiha schweigt sich dazu aus, in der Anleitung steht lapidar: "Entmagnetisieren: Werkzeug durch die (-) Öffnung führen." Das war schon alles an Information! Diese Unsicherheit, wie man das Teil eigentlich richtig handhabt, verführte mich dazu, damit weiter ein wenig herumzuspielen.

Irgendwann gelang es mir tatsächlich, einen Schraubendreher vollständig zu entmagnetisieren. Bloß wie hatte ich das gemacht? Ich versuchte es zu wiederholen, aber es funktionierte nicht mehr. War ein Zufallstreffer und doch dachte ich, muss doch irgendein System zu finden sein, wie es reproduzierbar funktionieren muss!

Ich mach es kurz, ich habs herausgefunden und seit dem kann ich nun endlich dieses Werkzeug wirklich zum entmagnetisieren nutzen.

Wie das Entmagnetisieren wirklich klappt

Zuerst einmal muss der Schraubendreher gezielt magnetisiert sein. Man schafft es also nicht, ein irgendwie magnetisiertes Werkzeug zu "löschen". Man muss also vor der Demagnetisierung das Werkzeug immer erstmal durch den Magnetisierer schieben. Ich schieb den Dreher also 3 mal durch den + Schlitz. Die Geschwindigkeit scheint dabei keine große Rolle zu spielen, ich mach das aber nicht zu hastig. Die Klinge schieb ich bis zum Drehergriff rein und ziehe sie vollständig wieder raus. Die Position im + Schlitz scheint auch nicht so entscheidend, trotzdem hab ich mir angewöhnt, die untere rechte Ecke zu benutzen.

Wenn die Klinge nun so definiert magnetisiert ist, muss man den Dreher durch den Demagnetisierer schieben. Aber hier gilt: Jeder Dreher braucht die richtige Treppenstufe. Die Treppenstufe dient als Auflage. Nur bei einer Treppenstufe gelingt die Entmagnetisierung. Und welche Treppenstrufe man braucht, ist von Schraubendreher zu Schraubendreher unterschiedlich. In der Regel passen eher die oberen Stufen, weshalb ich ganz oben rechts beginne, insofern der Dreher dort überhaupt hineinpasst. Ist er dicker, nehme ich die zweite Stufe von oben. Anders formuliert: Jedes Werkzeug braucht nur eine Treppenstufe, man weiß aber anfangs nicht, welche die richtige ist.

Ich schiebe nun erst einmal auf der gewählten Stufe rein und ziehe wieder raus. Dann teste ich mit einer kleinen Schraube, ob die Klinge noch magnetisch ist. Ist noch etwas Restmagnetismus da, schiebe ich die Klinge nochmal auf gleicher Treppenstufe durch. Wenn das nach dem vierten Versuch immer noch nicht geklappt hat, dann war es die falsche Stufe. Mit etwas Erfahrung spürt man auch schon beim ersten mal Durchziehen, ob es die richtige Stufe sein kann. Ist nämlich danach noch viel Restmagnetismus da, war es die falsche Stufe.

Jetzt darf man nicht den Fehler machen und einfach eine andere Stufe ausprobieren. Man wird es so nie schaffen, obwohl man meint, das wäre doch eigentlich logisch. Man muss erst wieder eine definierte Magnetisierung vornehmen! Also erstmal wieder 3 mal durch den Plusbereich schieben. Und nun die Entmagnetisierung mit einer anderen Treppenstufe ausprobieren.

So verfährt man mehrfach, bis man die richtige Treppenstufe herausgefunden hat, die für das konkrete Werkzeug passend ist. In dieser Art ist es mir problemlos gelungen, 5 verschiedene Schraubendreher zu entmagnetisieren. Es scheint also reproduzierbar zu funktionieren.

Daraufhin holte ich mir nochmal mein fast baugleiches Billig-Noname-Teil hervor und prüfte es auch hier. Und tatsächlich, auch dieses Teil funktionierte nach diesem Prinzip hervorragend. Auch hier war es übrigens so, dass in der Anleitung nichts zur Handhabung drin stand, auch die Treppen waren hier nicht erklärt.

Interessant ist hier auch: Wenn man mit dem Wiha-Teil magnetisiert, lässt es sich in dem anderen Teil nicht demagnetisieren. Umgedreht genauso. Man muss immer mit dem gleichen Teil zuerst magnetisieren und dann demagnetisieren.

Fazit

Es gibt Werkzeuge auf dem Markt, die millionenfach verkauft werden und die fast niemand erfolgreich benutzen kann. Und warum? Einfach, weil das Verfahren unbedingt einer genauen Erklärung bedarf, die uns die Hersteller schuldig bleiben. Seit vielen Jahren und niemandem fällt das auf oder keiner ändert was dran.

Das sind die Schwachpunkte einer stark arbeitsteiligen Welt, in der niemand mehr das Ganze im Blick hat. Mag sein, dass bei Wiha irgendwo jemand sitzt, der weiß, wie man das Teil richtig benutzt, aber der hat vermutlich keinen Kontakt mit dem Hersteller in China, der gleich auch die Anleitung dafür schreibt. Und weil man Anleitungen auch noch in 7 Sprachen übersetzen muss, macht man es am besten so kurz wie möglich. Mit dem Ergebnis, dass Anleitungen nutzlos werden.

Auf der anderen Seite wissen immer mehr Konsumenten, dass in Anleitungen sowieso nur noch Sicherheitshinweise und undurchdachtes Zeugs steht und lesen die erst gar nicht mehr. Das führt noch mehr dazu, dass alles, was sich nicht von selbst erklärt, ungenutzt in der Ecke landet.

Innenaufbau

Wie sieht so ein Magnetisierer/Entmagnetisierer eigentlich von innen aus? Eigentlich ganz simpel: 2 waagerecht eingebrachte Dauer-Magneten, beide mit dem gleichen Pol zueinander, so dass sie sich abstoßen.

Das Billigteil hab ich mal zerlegt, hier sieht man den inneren Aufbau: